Entspannt gebannt

Wenn Politik auf Jugend trifft, ist das nicht immer spannungsfrei. Der #OB_Check am 12. Februar 2020 war dagegen höchst entspannt, informativ und in jeder Hinsicht unterhaltsam. So manches über die Kandidierenden erfuhr man nirgendwo sonst. Das fanden auch die Polit-Profis bemerkenswert.

Im Wahlkampf haben unzählige Diskussi­onsrunden den OB-Kandidierenden auf den Zahn gefühlt. Der #OB_Check des KJR reihte sich nur auf den ersten Blick in diese Liste ein. Denn schon zu Beginn zeigte sich: hier geht es anders zu als auf anderen Podien. „Stellen sie die Person rechts von Ihnen vor“, fordern Mag­dalena Pulz und Rupert Heindl, die den Abend moderieren, die Gäste auf dem Podium auf. „Aber Sie dürfen dabei nur Positives sagen!“

Diese Herausforderung meistern die fünf unterschiedlich. Amtsinhaber Dieter Reiter (SPD) stellt Jörg Hoffmann (FDP) mit einem respektvollen „Professor – so weit hab ich’s nie gebracht“ vor, dieser wiederum bewun­dert an Katrin Habenschaden (Grüne) nicht nur die „wirklich jeden Tag anderen Ohrrin­ge“, sondern spricht so herzlich über sie, dass echte Sympathie spürbar wird. Die Grüne fin­det es „ganz schön schön“, Thomas Lechner (Linke) im Wahlkampf näher kennenzulernen und lobt ihn als ganz Engagierten. Der wie­derum tut sich schwer, über Kristina Frank (CSU) „am entgegengesetzten Ende“ der politischen Skala Positives zu sagen. So lobt er, dass sie „wenigstens Fahrradfahren kann“. Diese kann über Reiter nicht viel mehr Gutes sagen, als dass er, wie sie, den FC Bayern mag und die Meisterschale am Rathausbalkon gekonnt übergibt.

Weiter geht es am Abend des 12. Februar im voll besetzten Ampere im Muffatwerk mit Diskussionen darüber, wie die Stadtpolitik in Zukunft aussehen soll. Und wie die Themen junger Menschen dabei berücksichtigt wer­den. Mehr als 250 zumeist junge Gäste haben auf Bierbänken, Sitzwürfeln und Sofas Platz genommen. Per Online-Voting haben sie zu Beginn aus den Jugendpolitischen Forde­rungen des KJR zur Kommunalwahl die drei Themen des Abends bestimmt: Nachhaltig­keit, München mobil und Wohnen.

Zur Nachhaltigkeit überbieten sich die fünf in Visionen zur Verkehrswende, zur klimaneutralen Stadt bis hin zur Idee, „CO2 aus der Atmosphäre zu filtern“ (Hoffmann), was Lechner mit einem hämischen „Wohin absaugen? Auf den Mars?“ erwidert. Reiter sieht in zehn Jahren keine Autos mit Verbren­nungsmotoren mehr in der Innenstadt, Frank, derzeit Kommunalreferentin und damit „Oberförsterin“, will 500.000 Bäume pflanzen und bis 2030 eine klimaneutrale Stadt.

Zum Thema „München mobil“ kann sich Dieter Reiter sogar kostenlosen MVV vorstel­len, „ihr könnt’s mich beim Wort nehmen!“. Hoffmann setzt auf autonome Fahrzeuge, Frank schwärmt von Carsharing, Pooling, Hy­perloop, Flugtaxis, Schwebe- und Seilbahnen. Habenschaden will das jüngst beschlossene 365-Euro-Ticket „für alle“ anbieten und „für Kinder und Jugendliche kostenlos“.

Thema Nummer drei ist Wohnen, wobei alle bezahlbare Wohnungen fördern wollen, aber uneins sind, ob sich dafür vor allem die Stadt oder auch die Wirtschaft bewegen muss.

Das Publikum bleibt gebannt dabei, das ist das Verdienst der souveränen Moderation ebenso wie des abwechslungsreichen Ablaufs. Zwischen den inhaltlichen Runden spielen, raten und buzzern die Kandidierenden und versuchen bei der Schnellraterunde ihr Wissen über Jugendkultur zu beweisen. Das Bild von YouTuber Rezo erkennt Habenscha­den, den eingespielten Song „Vermissen“ kennt zwar keine(r), aber Frank rät richtig. Sie kann auch als einzige einen bekannten Podcast nennen und erkennt den Blitz Club auf der Museumsinsel. Während TikTok fast alle kennen, weiß niemand, was „ein Pfeffi in der Naga“ kostet (1 Euro). Frank räumt fünf Punkte ab und verschenkt sogar zwei an den glücklosen Reiter.

Zum Abschluss sollen die Kandidierenden die 18-jährige Nadine von sich überzeugen – während einer einminütigen Aufzugfahrt. Hier erntet Frank Sympathien, weil sie die Erstwählerin als einzige nicht zutextet, sondern fragt, was die im Münchner Schü­ler*innenbüro Aktive sich denn von der Politik wünscht.

Das Konzept geht auf, das Publikum ver­folgt gebannt die Diskussionen und die Spiele, und als das Programm zu Ende ist, bleiben viele noch da und nutzen die Mög­lichkeit zum persönlichen Gespräch mit den Kandidierenden. Die sind auch lange nach Diskussionsende noch im Austausch mit jungen Münchnerinnen und Münchnern.

Bei allen politischen Gegensätzen sind sich die Kandidierenden in einem einig. Katrin Habenschaden hat der #OB_Check „sehr viel Spaß gemacht“, „Danke, war cool, bei euch zu sein“, resümiert Dieter Reiter, Kristina Frank findet den Abend „echt besonders“, für Thomas Lechner war es „die bislang kurz­weiligste Runde“ und auch Jörg Hoffmann hat es „voll gefallen, das war die schönste Veranstaltung!“.

Gecko Wagner, Öffentlichkeitsarbeit, KJR