25 Jahre „School‘s over Jam“

1998 wurde ein großer Wunsch wahr und der Platz der Münchner Freiheit zur Bühne der Jugendkultur. Die Idee hatten Jugendliche des Jugendtreff am Biederstein, sie gestalten das mehrstündige Programm komplett selbst – dieses Jahr zum 25. Mal!

Der Wunsch war groß und schien unerreichbar: „Einmal eine Open-Air-HipHop-Jam auf dem Platz der Münchner Freiheit“, das war 1998 das Anliegen der Jugendlichen im Offenen Treff des Jugendtreff am Biederstein (JTB). Hier, im Biederstein, waren Jams an der Tagesordnung und mit ihnen die vier Elemente des HipHop: Breakdance, Djing, Rap und Graffiti.

Die Münchner Freiheit mit ihrem Knotenpunkt von Bus, Tram und U-Bahn, mit ihren Cafés, Einkaufsmeilen und Fast-Food-Ketten war und ist ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche. Doch etwas Aktives können sie hier kaum tun. Das „Rumhängen“ sorgte immer wieder für Missmut in der Öffentlichkeit, das HipHop-Outfit vieler Jugendlicher wurde zudem als bedrohlich empfunden.

Genau diesen Platz, der sonst nur für den Weihnachtsmarkt und Kinderflohmarkt genutzt wird, für ein Jugendkultur-Event zu nutzen, war die Idee. Der Bezirksausschuss Schwabing-Freimann ließ sich überzeugen und stimmte der einmaligen Nutzung für „Fun and Action – statt Gewalt“ zu, so der erste Arbeitstitel.

Aus der Idee wurde am letzten Schultag vor den Sommerferien eine geniale Veranstaltung. Entscheidend war das jugendliche Engagement. Die Besucherinnen und Besucher des JTB stellten das Organisations-Team für Bühnen-Auf- und -Abbau, die Securitys für Ordnung auf dem Platz und vor allem das siebenstündige Bühnenprogramm von 11 bis 18 Uhr. Breakdance-Shows und -Contests, HipHop-Choreos, Rap und MCs begeisterten Jung und Alt, die sich – ohne Zaun und Eintritt – ein neues Bild jugendlicher „HipHopper“ machen konnten. Eine Graffiti-Area konnte auch Skeptische überzeugen: Graffiti ist Kunst! Ergänzt wurde das Programm durch Streetball-Turniere unter dem Motto „Fair Play“ – eine Idee der Jugendbeamten der Polizeiinspektion 13.

Schon beim ersten Mal 1998 – damals noch ohne Smartphone und Internet – hatten die Jugendlichen Kontakt zu den Szenen des damals „wahren“ HipHop in Stuttgart, Frankfurt, Augsburg, Salzburg und weiteren Orten. Von dort reisten Breakdance-Crews an und „battelten“ gegen die Münchner.

Der letzte Schultag im Juli 1998 war aber auch eine schwierige und traurige Zeit. Viele Jugendliche, die während des Bosnien-Kriegs in München und im JTB eine neue Heimat gefunden hatten, mussten nach Kriegsende wieder zurück. Die „School‘s over Jam“ war auch ihre Verabschiedungs-Jam.

Doch der Spirit des jugendlichen Engagements reicht bis heute. Jedes Jahr wieder gestalten Jugendliche des Offenen Treffs das inzwischen achtstündige Non-Stop-Bühnenprogramm, aus der einmaligen Idee wurde eine Tradition, die 2023 ihr 25. Jubiläum feierte.

Hier steht Musik und Tanz im Vordergrund. In den Hintergrund treten Schulart, Nationalität und Religionszugehörigkeit. Wichtig sind den Jugendlichen die Werte, die aus der Jugendkultur kommen.

Was bei der „School‘s over Jam“ zur Aufführung kommt, trainieren sie monatelang, selbständig oder in den Workshops im JTB, die immer nach der Peer-to-Peer-Methode funktionieren. Seit 2011 hat sie das Genre „K-Pop“ (Korean Pop) sehr stark verbreitet.

Neben den lange trainierten Performances bietet eine Open Stage Raum für erste und spontane Auftritte. Von denen, die an der Münchner Freiheit im Publikum saßen, kommen hinterher jedes Jahr viele neue Jugendliche ins Biederstein und meist sind sie im nächsten Jahr schon im Organisationsteam dabei.

Musik und Politik

Obwohl das Format seit 25 Jahren gleich ist, sind die jugendlichen Akteure jedes Jahr andere. In jedem Jahr legen sie einen besonderen Fokus auf politische Forderungen. So wurde 2022 mit einem Muffin-Stand unter dem Motto „ We are all equal“ für das „Diversity Jugendzentrum“ gesammelt, 2015 lautete das Motto anlässlich des Amoklaufs im OEZ „Gegen Gewalt“. In diesem Jahr ist es „Frieden“, dieses Thema „Frieden“ ist dem JTB-Team im Jubiläumsjahr 2023 – „70 Jahre Jugendtreff am Biederstein“ und „25 Jahre School`s over Jam“ – besonderes wichtig. Denn der Jugendtreff wurde nach Kriegsende von US-amerikanischen GIs zur demokratischen Bildung Jugendlicher gegründet. Jugendliche aus Kriegs- und Fluchtgebieten bilden im Offenen Treff schon immer eine große Gruppe. Der Schwerpunkt Jugendkultur ermöglicht ihnen das Ankommen und einen Ausgleich zu schwierigen Erlebnissen. In diesem Jahr traten bei der „School‘s over Jam“ spontan Mädchen aus der Ukraine und der Türkei auf der Open Stage auf, inzwischen sind sie tägliche Besucherinnen im Offenen Treff.

Herzlichen Dank für 25 Jahre Vertrauen an den Bezirksausschuss Schwabing-Freimann, der die Nutzung des so beliebten und schönen Platzes mitten in Schwabing ermöglicht. Wir freuen uns, dass wir mit Generationen von Jugendlichen einen Raum für deren Können und Jugendkultur schaffen und Vorurteile gegenüber Jugendlichen auf öffentlichen Plätzen entkräften konnten.

Ein besonderer Dank geht auch an die Jugendbeamt*innen der vergangenen 25 Jahre und dem Kommissariat K 105 – Opferschutz und Prävention. Sie sprechen auf Augenhöhe und mit Handschlag mit Jugendlichen und beteiligen sich jedes Jahr aktiv am Programm. Sie sind fester Bestandteil der „School‘s over Jam“ und tragen zu direkter Prävention bei.

Mögen wir diesen öffentlichen Raum auch weiterhin unter dem Motto „Fun and Action – statt Gewalt“ nutzen können – für die Interessen und Anliegen der Jugendlichen und als Sprachrohr der Jugendkultur.

Patricia Herzog, Leiterin Jugendtreff am Biederstein