K3 3/2021 – Erlebnispädagogik

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Erlebnispädagogische Angebote aus rechtlicher Sicht

Von Philipp Melle
Justiziar des Bayerischen Jugendrings, seit über 15 Jahren als Jugendleiter und Trainer in der Jugend des Deutschen Alpenvereins aktiv, daneben in der Aus- und Fortbildung von Jugendleiterinnen* und Jugendleitern* sowie Fachkräften tätig sowie ehrenamtliche Einsatzkraft der Bergwacht Bayern

Erlebnispädagogische Angebote wie Klettern, Kajakfahren, Hochseilgarten, Mountainbiken usw. leiden mitunter unter dem Ruf, besonders gefährlich und dadurch mit erhöhten Haftungsrisiken verbunden zu sein. Dies ist mit Blick auf die etablierten Sicherheitsstandards und die verschwind geringe Zahl von gerichtlichen Verfahren aber unberechtigt. Welche Besonderheiten trotzdem zu beachten sind, fasst dieser Beitrag kurz zusammen. Für grundlegende und ausführlichere Informationen wird auf die Literaturhinweise am Ende des Beitrags verwiesen.

I.                    Information der Eltern

Die Eltern bzw. die Personensorgeberechtigten müssen wissen, was ihre Kinder bei den Angeboten machen, insbesondere um den Leiterinnen* und Leitern* die hierfür notwendigen Informationen über ihr Kind zu geben. Die gängigen Fragebögen über die Besonderheiten der Kinder (Allergien, Medikamente und andere Besonderheiten) sind streng genommen nämlich zur Erfüllung dieser Informationspflichten (der Eltern!) gedacht. Das Einverständnis zu den Aktivitäten geben die Eltern bereits mit der Anmeldung. Bei der Ausschreibung muss man sich daher überlegen, womit die Eltern typischerweise aufgrund der Ausschreibung rechnen müssen und worauf nochmal explizit hingewiesen werden muss. Beispielsweise muss bei einer als „Klettercamp in Südfrankreich“ ausgeschriebenen Freizeit nicht nochmal darauf hingewiesen werden, dass man mit den Kindern klettern geht. Wenn man allerdings zusätzlich Bootfahren, Canyoning o.Ä. plant, sollte darauf explizit in der Ausschreibung oder spätestens in der Anmeldung hingewiesen werden.

II.                  Qualifikation der Leitung

Wie bei jedem anderen Angebot der Jugendarbeit gilt auch bei erlebnispädagogischen Angeboten ganz einfach: Die Leitung muss für die konkreten Anforderungen des Angebots nachweisbar persönlich und fachlich geeignet sein. Was das konkret im Einzelfall bedeutet, ist zunächst eine fachliche und keine rechtliche Bewertung. Bezüglich der fachlichen Anforderungen gibt es grundsätzlich keine zwingenden formalen Anforderungen. Allerdings können die gängigen Ausbildungen der Fachverbände und die entsprechenden Curricula als anerkannter Maßstab und damit als „Standard“ angesehen werden. Das bedeutet, dass Personen, die nicht über eine entsprechende aktuelle Ausbildung (Fortbildungen) verfügen, in der Regel über nachweisbare vergleichbare Ausbildungen/Erfahrungen verfügen müssen.

Ausnahme: Bei Angeboten im Zusammenhang mit Berg- und Skisport (auch Sportklettern am Fels) muss in Bayern die Bayerische Berg- und Skischulverordnung beachtet werden. Außerhalb von den alpinen Vereinen wie Alpenverein und Naturfreunde dürfen entsprechende Angebote grundsätzlich nur von staatlich geprüften Berg- und Skiführern durchgeführt werden. In den anderen Alpenländern existieren vergleichbare Regelungen. In Deutschland existieren außerhalb von Bayern aber keine vergleichbaren Regelungen.

III.                Gruppengröße und Schlüssel für Leitungen

Schon bei „normalen“ Angeboten der Jugendarbeit existieren keine allgemeinen Empfehlungen für die Gruppengröße. Das gilt erst recht für Angebote in der Erlebnispädagogik. Zu unterschiedlich sind hier die Anforderungen, welche sich insbesondere aus der Aktivität, dem Gelände, den aktuellen Verhältnissen, Alter, Charakter und Eigenart der Teilnehmenden und Fähigkeiten der Leitung ergeben können. Die aus pädagogischer und sicherheitstechnischer Sicht sinnvolle Gruppengröße muss im Einzelfall ermittelt werden. Wen das überfordert, der ist für die Planung und Durchführung entsprechender Angebote (noch) nicht geeignet. So kann beispielsweise bei alpinen Klettertouren aufgrund der Anforderungen und der geringen Erfahrung der Teilnehmenden eine 1:1-Betreuung angezeigt sein, wo hingegen erfahrene Leitungen auch bis zu sechs Kinder im Klettergarten alleine betreuen können.

IV.               Aktuelle Verhältnisse

Wichtig ist bei erlebnispädagogischen Outdoor-Angeboten, die aktuellen Verhältnisse vor Ort zu beachten, entsprechend flexibel zu sein und notfalls eine geplante Aktion abzusagen. Wenn beispielsweise ein Fluss die meiste Zeit im Jahr auch mit wenig erfahrenen Teilnehmenden befahren werden kann, muss vor dem Einstieg geprüft werden, ob dies auch wirklich der Fall ist oder es wegen Hochwasser o.Ä. aktuell mit dieser Gruppe eben nicht vertretbar ist. Die Leitung muss hierzu entsprechend qualifiziert sein (s.o.). In einigen Bereichen (z.B. im Winter bezüglich Lawinengefahr) gibt es gängige Vorgaben zum verantwortungsbewussten Risikomanagement, die zu beachten sind – aber auch diese sind nur eine Entscheidungshilfe und ersetzen nicht die notwendige Kompetenz der Leitung.

V.                 Krisenmanagement

Ein funktionierendes Krisenmanagement ist für alle Angebote der Jugendarbeit erforderlich. Speziell bei erlebnispädagogischen Angeboten können sich aufgrund der Aktivität (z.B. Canyoning ohne Handynetz in der Schlucht) und der Örtlichkeiten (z.B. Biwak-Tour mit längeren Wegen für eine möglicherweise erforderliche Rettung) besondere Herausforderungen ergeben. Das muss bereits bei der Planung berücksichtigt werden. Zudem sind Abläufe im Krisenfall entsprechend zu überdenken. Hilfreich ist vor allem eine Notfallnummer beim Träger, damit sich jemand bei einem Unfall um Kontakt der Eltern, Presse, eine Ersatzleitung usw. kümmern kann. Nicht rechtlich, aber kommunikativ stellt bei Unfällen im Rahmen erlebnispädagogischer Angebote die Presse eine Herausforderung dar.

VI.               Standards und aktuelle Entwicklungen

Insbesondere bei Angeboten, denen ein gewisses Restrisiko immanent ist und welche den Umgang mit Risiken zum Gegenstand haben, müssen die verantwortlichen Personen die aktuellen Standards berücksichtigen und sich entsprechend „up to date“ halten. Bei einem Unfall kommt es rechtlich – vereinfacht formuliert – auf die Frage an, wie eine umsichtige und entsprechend ausgebildete Person entschieden und gehandelt hätte. Beachtet man das und es kommt trotzdem zu einem Unfall (weil sich z.B. das vertretbare Restrisiko verwirklicht oder es zu einem auch für eine fachkundige Person unvorhergesehenen Unfall kommt), dann haften die Verantwortlichen in der Regel nicht. Hierzu ist es aber erforderlich, dass sich die Verantwortlichen in Sachen Sicherheit und Risikomanagement auf dem Laufenden halten.

VII.              Versicherungsschutz

Abschließend darf der Hinweis auf den Versicherungsschutz nicht fehlen: Sollte es doch zu einem Unfall bzw. Schaden kommen und ist dieser auf einen Fehler der Verantwortlichen zurückzuführen, sollte zumindest für fahrlässige Fehler ein Haftpflichtversicherungsschutz bestehen. Bei erlebnispädagogischen Aktivitäten sollte aber vorsichtshalber konkret mit dem Haftpflichtversicherer des Trägers geklärt werden, ob die geplante Aktivität erfasst ist. Gegebenenfalls sollte der Träger den Versicherungsschutz erweitern.

VIII.              Literaturhinweise