Eine Online-Begegnung aus dem Alltag Jugendlicher

Im ersten Lockdown haben wir zu einer festen Uhrzeit auf Spiele-Plattformen online gezockt. Irgendwann wollten die Kids mehr reden, zeigten ihre Zimmer, ihre Wohnungen, ihre Geschwister. Es folgten Spiele, die keine fremde Plattform benötigten, bei denen man sich sehen wollte: Rate- und Suchspiele, Wahrheit oder Lüge, Pantomime.

Im zweiten Lockdown haben wir selten auf Plattformen gespielt, dafür noch mehr selbst getan. Ein Junge zeigte Urlaubsfotos und „Mit Benni um die Welt“ war geboren, es folgte „Emilys Workout“. Bei „Tool Time“ schalten wir zum Spielhüttenbau in unsere Musisch kreative Werkstatt, wo Kids mitbauen können – vor Ort mit Termin oder online live dabei. Aus seiner neuen Heimat Portugal klickte sich ein einstiger Jugendlicher unserer OGS rein, aus Hamburg eine frühere Stammbesucherin.

Das Online-Cafe macht das möglich. Irgendwann entwickelte sich das gemeinsame Kochen und Abendessen zum Wochenausklang: live aus dem Intermezzo und den Küchen der Kids zuhause, die Eltern mitunter im Hintergrund. Wenn die „Besucher*innen“ Verstecken im nächtlichen Haus spielen wollten (Altersgruppe 10 bis 19!) und vor Ort alles ausgebucht war, versteckten wir die Daheimgebliebenen einfach als Handy im Raum – so konnten sie zuhause sehen, ob sie vor Ort gefunden wurden. Stadtteilspaziergänge, Radtouren, Nachtausflüge, Schnee-Action, Zeichenkurse, Hausbesuche, stets mit einer kleinen Live-Schaltung ins Online-Cafe. Alle können dabei sein, täglich sechs, einmal sogar acht Stunden. Weil die Kids einfach im Online-Offenen-Bereich „sitzen“ bleiben, weil sie ihren Alltag dort mit uns teilen: Mutter und Tochter sich gegenseitig die Haare färben, die Wohnung renovieren und alles erzählen, was sie sonst im Intermezzo an der Theke erzählen. Für solch eine gewachsene Plattform gibt es keinen Dienstplan, er entwickelt sich daraus. Sie ist ideal für Beziehungen, weil sie Zeit und Aufmerksamkeit anbietet und daher auch die Probleme des Lockdowns zur Sprache bringt, Beratung provoziert, Jugendarbeit relevant macht. Die Pandemie-Politik hat diese Relevanz gerne ignoriert. Die Offene Jugendarbeit kann sie mit ihrer Flexibilität belegen. Zurechtgestutzt auf ein Mindestmaß kann sie sich dennoch beweisen. Weil sie mehr zu bieten hat als fremde Plattformen.

Heiko Neumann, Intermezzo, KJR