Fröhliches Gedränge

So viel Andrang wie bei der letzten Vernissage der Galerie 90 ist in der Geschäftsstelle selten. Die sehenswerten Ausstellungen sind bis Ende März zu sehen – und mit einer gibt es im Herbst ein Wiedersehen.

Es kommt nicht oft vor, dass man sich in der KJR-Geschäftsstelle wie im KVR fühlt – jedenfalls wie zu den Hochzeiten der Computerprobleme vor einem Jahr. Damals gab es in der Behörde stundenlange Wartezeiten und übervolle Flure. Am 28. November ist es jedoch so weit, im 4. Stock der Paul-Heyse-Straße 22 gibt es kein Durchkommen mehr. Der Unterschied von KJR zu KVR: Niemand ist genervt, es gibt vielfach ein großes Hallo und alle sind freiwillig hier. Gut gefüllt ist der Flur mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus dem KJR und vom Jugendschulden-Präventionsprojekt Cashless-München, vor allem aber mit ehemaligen Besucherinnen und Besuchern von KJR-Freizeitstätten. Denn eine der beiden Ausstellungen, die heute eröffnet werden, hat genau sie zum Inhalt. Unter dem Titel „Lang ist‘s her – läuft bei mir! Kindheit und Jugend mit dem KJR München-Stadt“ portraitiert sie 40 Ehemalige in Text und Bild. Diese verraten, was sie heute tun und welche Erinnerungen sie an ihre Zeit in den Freizeitstätten haben.

Viele hat diese Zeit geprägt. Zum Beispiel den heute 32-jährigen Startup-Gründer, der in der Aubinger Tenne von Tanzen über Filmen und Klettern bis zum DJing „alles aufsog wie ein Schwamm“. Und rückblickend von einer Zeit schwärmt, die „sich regelrecht in mein Hirn eingebrannt hat“. Oder die Musical-Darstellerin, die mit dem Jugendtreff AKKU ihre erste Reise ans Meer erlebte und später zum HipHop-Musical „WestEndOpera“ kam. Damit tourte sie durch Europa und bis nach New York. An diesem Abend gibt es immer wieder ein großes Hallo, wenn Gäste ihre Beiträge finden, anderen zeigen und davor mit „ihrem“ damaligen Pädagogen ein Foto machen. Unter den Gästen sind auch Fritz Gneißl, Franz Schötz und Günther Praun. Die drei, heute alle über 70, waren ab der Eröffnung des Freizeitheims Milbertshofen – heute besser als Tasso33 bekannt – im Jahr 1965 Stammbesucher. Ihre Beiträge sind die am längsten zurückliegenden dieser Ausstellung, gemeinsam mit jenem von Wolfgang Wenger, dem Pressesprecher der Münchner Polizei im Ruhestand. Er freut sich heute auf ein Wiedersehen mit Ulrike Hämmerle, der Leiterin des Dülfer. Dort war Wenger, ebenfalls ab 1965, regelmäßig zu Gast, „in der Hasenbergler Rockerzeit“. In einem Alter, das er „schwierig und nicht ungefährlich“ nennt, in dem für manche die Weichen des Lebenswegs falsch gestellt wurden. Heute würdigt er, wie die Pädagoginnen und Pädagogen so manchem auf „das richtige Gleis“ halfen.

Cash – Wofür? Cashless – Was dann? Darum, jungen Menschen in die Spur zu helfen, dreht sich auch die zweite Ausstellung dieser Vernissage, die KJR-Geschäftsführer Franz Schnitzlbaumer eröffnet. Sie heißt „Cash – Wofür? Cashless – Was dann?”. Damit blickt das Jugendschulden-Präventionsprojekt Cashless-München auf 15 Jahre Präventionsarbeit zurück. Eigentlich ist Schuldenberatung ein für eine Ausstellung etwas abstraktes Thema, außerdem wollen Jugendliche in der Schuldenfalle nicht unbedingt Teil einer Ausstellung sein. Cashless löst die Aufgabe jedoch elegant und präsentiert im Kern sein Theaterprojekt mit Münchner und geflüchteten Jugendlichen rund ums Thema Geld, das in Kooperation mit dem Bellevue di Monaco stattfand. Mit den Fotos des Fotografen Wolfram Glaser illustriert das Präventionsprojekt seine Arbeit und macht sie mit einem kurzweiligen Quiz greifbar, das die Cashless-Leiterin Ruth Pfeffer und ihr Kollege Arne Füller präsentieren. Bei Fragen wie „Was hat Cashless-München in den Jahren seines Bestehens geleistet?“ können die Vernissage-Gäste miträtseln, ob die richtige Antwort „ca. 50.000 Ratenvereinbarungen getroffen“, „ca. 50.000 Haushaltspläne erstellt“ oder „ca. 50.000 Kaffee getrunken“ lautet.

Mitmachen können die Besucherinnen und Besucher an diesem Abend auch bei der Fotoaktion mit Carmen Lindemann. Mit passenden Accessoires aus fünf Jahrzehnten – etwa Langhaarperücken und Peace-Sonnenbrillen – können sie vor der Kamera posieren und das Bild im Anschluss mitnehmen. Beide Ausstellungen sind noch bis Ende März immer montags bis freitags bei freiem Eintritt zu sehen. Mit einer wird es jedoch Ende des Jahres ein Wiedersehen geben. Denn „Lang ist’s her – läuft bei mir!“ geht in die zweite Runde. Koordinatorin Frauke Gnadl hatte schon zur Vernissage der jetzigen Ausstellung mehr Beiträge als Platz. Seither sind weitere Erinnerungen von ehemaligen Besucherinnen und Besuchern hinzugekommen und Gnadl sammelt weiter. So wird es im Herbst, kurz vor dem 75. KJR-Geburtstag am 5. Dezember, wieder heißen „Lang ist’s her“. Dann werden sowohl die jetzigen als auch viele neue Fotos und Texte zu sehen sein und ganz praktisch zeigen, was die tägliche Arbeit in den KJR-Freizeitstätten bewirkt. Die Begleitbroschüre zur aktuellen Ausstellung ist verfügbar unter www.kjr-m.de/publikationen.

Frauke Gnadl und Gecko Wagner,Öffentlichkeitsarbeit, KJR