Erinnern für die Zukunft

Am 40. Gedenktag des Oktoberfest-Attentats hatten vor allem Überlebende das Wort

„Am allermeisten hätte ich mir gewünscht, dass die neuen Ermittlungen erfolgreich sind, dass die Täter verurteilt werden und im Knast landen, wo diese vielfachen Mörder längst hingehören“. Renate Martinez hat die gewaltige Bombenexplosion des 26. September 1980 am Wiesn-Haupteingang überlebt. Ihre Haare waren verbrannt, zahllose Splitter mussten in mehreren Operationen aus Gesicht und Körper entfernt werden, lange hat es gedauert, bis die Schwerverletzte wieder laufen konnte. Fast vier skandalöse Jahrzehnte vergingen, bis das Bombenattentat auf das Oktoberfest offiziell als ein rechtsextremes Verbrechen eingestuft wurde. Bis in Betracht gezogen wurde, dass der Attentäter Gundolf Köhler, der damals selbst ums Leben kam, vielleicht doch nicht allein gehandelt hatte. Bis die Überlebenden und die Angehörigen der zwölf Opfer die Aufmerksamkeit, Anerkennung und zumindest teilweise finanzielle Entschädigung für ihr physisches und psychisches Leid erfahren haben.

Die zweite Ermittlungsphase endete 2020 und konnte viele Fragen nicht mehr klären. Asservaten und Akten waren verschwunden, wichtige Daten geschwärzt, es musste mit den Resten einer haarsträubend lückenhaften Ermittlung gearbeitet werden, die 1982 allzu schnell beendet worden war. Dass es überhaupt zu einer Wiederaufnahme der Ermittlungen kam, ist auch der jahrzehntelangen Hartnäckigkeit von Journalist Ulrich Chaussy und Rechtsanwalt Werner Dietrich sowie zahlreichen gesellschaftlichen Initiativen zu verdanken – wie der DGB-Jugend München, die seit 38 Jahren, inzwischen auch mit der Stadt gemeinsam, die jährliche Gedenkstunde am Wiesn-Eingang organisiert und neue Ermittlungen immer wieder eingefordert hatte. Für die teilnehmenden Überlebenden und die Angehörigen der Opfer war es ein äußerst schmerzvoller, aber wichtiger Tag des Gedenkens am 26. September in diesem Jahr. Gemeinsam mit Bundespräsident Walter Steinmeier, OB Dieter Reiter, Ministerpräsident Markus Söder und zahlreichen Gästen erinnerten sie an diesen furchtbaren Abend 1980 und warnten: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Rechtsextremismus unser Zusammenleben vergiftet und bei jungen Menschen Fuß fassen kann.“ (Dimitrios Lagkadinos,Überlebender). Mit dem Bundespräsidenten besuchten sie die eindrucksvolle neue Dauerausstellung am Wiesn-Eingang gegenüber dem Mahnmal. Am Abend lud die Fachstelle für Demokratie dazu ein, via Livestream die Diskussion einer hochkarätigen Runde mit Expertinnen und Experten im Rathaus zur Gefahr rechtsextremer Netzwerke zu verfolgen.

Die Fragen und Themen dieses Gedenktags finden sich ganz konkret wieder in einer Filmproduktion der DGB-Jugend – nur unter dem Blickwinkel der jungen Generationen: „Warum Erinnern?“, „Was hat das mit mir heute zu tun?“ Der Film versteht es, auf sensible, eindrucksvolle Weise, die Ereignisse des 26. September 1980 in die Gegenwart zu transportieren als Plädoyer für Wachsamkeit und entschiedenen Widerstand gegen Rechts: www.erinnernheisstkaempfen.de

Sylvia Holhut, Fachstelle Demokratische Jugendbildung, KJR